Haftungsquoten und Verursachungsbeiträge

Der ADAC schätzt die Anzahl der Verkehrsunfälle in Deutschland für das Jahr 2012 vorläufig auf 2.377.000. Immer wieder geht es bei der Regulierung dieser Unfälle um die Frage: Wer hat Schuld?

Die Antwort hierauf ist nicht immer klar und eindeutig.

Das Straßenverkehrsgesetz (StVG) sieht grundsätzlich vor, dass nach § 17 StVG die Verursachungsbeiträge im Unfallgeschehen gegeneinander abgewogen werden müssen und sich hieraus dann eine entsprechende Haftungsquote ergibt.

Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung gehen davon aus, dass von jedem Fahrzeug im Straßenverkehr eine gewisse einfache Betriebsgefahr ausgeht. Dies ist die generelle Gefahr, die der Betrieb eines Fahrzeuges mit sich bringt. Sie bezeichnet eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung, die dem Halter des Fahrzeuges zufällt (so § 7 StVG).

Daraus folgt, dass zunächst beide Unfallbeteiligte ein Verschulden am Unfallgeschehen trifft. Beide Halter würden grundsätzlich zu gleichen Teilen haften.

Dies bleibt auch bei einem ungeklärten Unfallverlauf so, eben so lange, bis einer der Beteiligten beweisen kann, dass zum Einen seine Unfalldarstellung korrekt und zum Anderen der Verschuldensanteil des Gegners überwiegt.

Die einfache Betriebsgefahr

Lässt sich feststellen, dass der Beteiligten den Unfall verursacht hat, der andere diesen aber hätte verhindern können, wird die einfache Betriebsgefahr mit einer Haftungsquote von 70% zu 30% zu Lasten des Verursachers taxiert.

Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Unfall für den Geschädigten unvermeidbar gewesen ist und er dieses beweisen kann. Dann trifft den Unfallverursacher die volle Schuld am Unfallgeschehen und der gesamte Schaden wird ersetzt.

Die Rechtsprechung hat auch für einige Konstellationen festgelegt, dass zunächst einem Unfallbeteiligten die volle Schuld am Unfallgeschehen zufällt. Dieser müsste sich dann demgemäß entlasten, nicht alleinverantwortlich für den Unfall gewesen zu sein. Man spricht hierbei vom Anscheinsbeweis oder Beweis des ersten Anscheins.


Der Anscheinsbeweis- „Wer auffährt, hat Schuld“?!

Der Anscheinsbeweis beruht auf Erfahrungsgrundsätzen, die darauf schließen lassen, dass von einem bestimmten Geschehensablauf auszugehen ist und somit ein Verschulden vorliegt. Zum Beispiel ist der geflügelte Satz: „Wenn’s hinten kracht, gibt’s vorne Geld“ oder eben: „Wer auffährt, hat Schuld“ hierzulande weit verbreitet. Dies nicht ohne Grund, denn diese Konstellation stellt praktisch den am weitesten verbreiteten Beweis des ersten Anscheins dar.

Diesem Anscheinsbeweis liegt dabei der Erfahrungsgrundsatz zugrunde, dass derjenige, der auf ein vorausfahrendes Fahrzeug auffährt, den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten haben kann.

Neben diesem kennt die Rechtsprechung noch weitere Fälle, die einen Anscheinsbeweis begründen können, so z.B. die Haftung des Rückwärtsfahrers.

Die Besonderheit liegt darin, dass jeweils derjenige, dem dieser Anscheinsbeweis zur Last fällt, diesen entkräften muss. Er muss also darlegen und beweisen, dass ihn nicht die alleinige Schuld am Unfallgeschehen trifft. Gelingt dies nicht, trifft ihn die volle Haftung am Unfallgeschehen.

Ob aber tatsächlich die Regeln des Anscheinsbeweises eingreifen, kann jeweils nur am konkreten Einzelfall festgemacht werden. Anderenfalls gilt der Grundsatz der Abwägung der Verursachungsbeiträge.

Es ist grundsätzlich ratsam, anwaltlichen Rat im Hinblick auf die Schuldfrage einzuholen. Nicht selten werden seitens der hinter dem Verursacher stehenden Versicherung Einwände erhoben, die jeglicher Grundlage entbehren.

Dies gilt im Übrigen nicht nur für den Verursachungsbeitrag, sondern auch und vor allem hinsichtlich der Höhe der einzelnen Schadenspositionen, die in einem späteren Beitrag behandelt werden.

Zu diesen Schadenspostionen gehören mitunter auch Rechtsanwaltskosten, die der Unfallgeschädigte zur Unfallabwicklung aufwenden darf. Die Gebühren werden dann von der gegnerischen Haftpflichtversicherung getragen. Sofern eine eintrittspflichtige Rechtsschutzversicherung besteht, übernimmt diese grundsätzlich in den anderen Fällen die Gebühren des Rechtsanwaltes.